Abschiedsrede Stadträtin Bettina Maschke 29. Januar 2020
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dehmer, sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung, liebe Kolleginnen und Kollegen und verehrte Zuhörer,
die Entscheidung zur Niederlegung meines Mandats als Stadträtin habe ich mir nicht leicht gemacht.
Allerdings kann ich aus persönlichen Gründen und aufgrund der gegebenen Situation, die ich gerne erläutern möchte, mein Amt als Stadträtin so nicht mehr ausführen.
Die Art und Weise, wie in den vergangenen Monaten miteinander umgegangen wurde, empfand ich als sehr belastend.
Menschen, die sich engagieren, machen Fehler.
Egal, ob sie das haupt- oder ehrenamtlich tun.
Zu ihren Fehlern müssen sie stehen und diese, soweit möglich, beheben.
Der respektvolle und wertschätzende Umgang miteinander ist beim Thema Michelberg-Gymnasium leider auf der Strecke geblieben.
Die Wertschätzung für die Arbeit des Anderen, auch des Andersdenkenden, war für mich seitens einiger Ratskollegen nicht mehr zu spüren.
Unter diesen Umständen ist für mich eine Grenze des Erträglichen erreicht.
Ich habe mich immer mit Herzblut und Engagement für das Wohl unserer Stadt eingesetzt und bedauere meine Amtsniederlegung dahingehend sehr, weil meine Wählerinnen und Wähler mir großes Vertrauen bei der letzten Wahl entgegengebracht haben.
Doch die Situation belastet mich so sehr, dass ich mit meiner Entscheidung für meine Familie und mich die Konsequenzen ziehen muss.
Es gibt allerdings auch ganz konkrete Gründe, die zur Niederlegung meines Amtes geführt haben.
Deshalb ist es mir wichtig, dass ich hier noch die Gelegenheit habe, einiges differenzierter darzustellen:
In der Erklärung der Stadträte Dr. Stephan Schweizer, Bernhard Lehle, Jörg Bopp und mir stand, dass wir mit der internen Aufklärung, die die Auftragsvergabe an das Planungsteam um Prof. Höfler und die Frage des Urheberrechts betrifft, zum Abschluss kommen sollten, da diese einseitige Aufklärung in dem Stil, wie sie auch mit der einseitigen Berichterstattung der GZ betrieben wurde, ausschließlich auf Fehlersuche und Schuldzuweisung, im Bereich der Verwaltung ausgerichtet war.
Gemeint war hiermit - und da haben wir uns vielleicht nicht genau genug ausgedrückt - die Untersuchung bezüglich der Vergabe der Architektenleistung und des Urheberrechts.
Herausstellen möchte ich noch einmal, dass es mir nicht um eine Vertuschung oder einen Abschluss der allgemeinen Aufklärung in der gesamten Angelegenheit geht, sondern um einen konstruktiven, rechtlich korrekten und demokratischen Umgang mit der Sache!
Zur richtigen und effektiven Aufklärung, bei der es auch darum geht, Schaden von unserer Stadt abzuwenden, gehört unbedingt dazu, dass die tatsächlich Verantwortlichen, die mit der kompletten Planung einschließlich der Bauleitung beauftragt wurden, zur Verantwortung gezogen werden.
Die Fehler der verantwortlichen Architekten, Fachplaner und ausführenden Firmen gehören nun juristisch aufgearbeitet und in den Fokus der Stadtverwaltung und des Gemeinderats.
Regressforderungen sind in Millionenhöhe möglich und die Energie von Verwaltung, Gemeinderat und Anwälten sollte in erster Linie darauf verwendet werden.
Diese Fehler des Planungsteams liegen nicht bei der Beauftragung oder bei der Einschätzung des Urheberrechts, sondern ausschließlich in der mangelhaften Planung und Bauüberwachung.
Deshalb müssen diese Punkte auch strikt getrennt voneinander betrachtet werden.
Die Beauftragung kann nicht mehr rückgängig gemacht werden und es würde der Stadt auch keinen finanziellen Vorteil bringen.
Die von uns vier Stadträten unterschriebene Erklärung, die auf ein gemeinsames Miteinander von Gemeinderat und Mitarbeitern der Verwaltung gerichtet war, wurde wie üblich in der Fraktionssitzung der Freien Wähler vorgelesen und besprochen.
Unser ehemaliger Fraktionsvorsitzender Ludwig Kraus wurde von mir im Vorfeld direkt, nachdem ich von dem Schriftsatz von Herrn Dr. Schweizer erfahren habe, im persönlichen Gespräch informiert.
Es erfolgte in diesem Punkt in keinster Weise ein Alleingang einzelner Fraktionsmitglieder der Freien Wähler.
Dass Herr Krauss gegenüber der GZ sagte, er sei nicht miteinbezogen worden, ist schlicht und ergreifend die Unwahrheit.
Damit nun den Fraktionsaustritt zu begründen, lässt mich doch etwas sprachlos zurück.
Worin sehe ich in der derzeitigen Form des „Aufklärungsprozesses“ nun aber die Behinderung der Arbeit der Stadtverwaltung – aber auch des Gemeinderates?
Aus meiner Sicht wird derzeit sehr viel Kraft und Zeit in die Aufarbeitung der Vergabe an Prof. Höfler gesteckt, die aus damaliger Sicht in Ordnung und wegen des innovativen Konzepts auch von ALLEN gewollt war, die aber mit heutigem Wissen sicherlich anders beurteilt werden muss.
Weder die Verwaltung, noch der Gemeinderat konnten sich damals vorstellen, dass ein Professor der Architektur ein Bauwerk abliefert, das zwei Jahre nach Fertigstellung abbruchreif ist.
Zeit und Kraft für andere, die Stadt betreffende wichtige Dinge bleiben dadurch leider auf der Strecke.
Haben wir nicht auch andere Aufgaben, die für Geislingen ebenfalls sehr wichtig sind?
Können die Stadtverwaltung und der Gemeinderat hierfür noch angemessen Zeit aufbringen?
Bei der ganzen derzeitigen Diskussion im Gemeinderat, bezüglich der Aufklärung Michelberg-Gymnasium, werde ich folgende Eindrücke nicht los:
Besteht hier nicht eine einseitige Betrachtung bzgl. der Aufarbeitung, damit sich gewisse Gemeinderäte ihrer eigenen Verantwortung entziehen können?
Diese eigene Verantwortung, die wir als Stadträte haben, wurde und wird auch weiterhin völlig ausgeblendet.
Mit meiner Amtsniederlegung will ich auch ein gesellschaftspolitisches Zeichen setzen.
Mir ist wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger sehen, dass die Verantwortlichkeiten in dieser komplexen Sache nicht nur einseitig betrachtet werden können, da Gemeinderäte und Verwaltung aus heutiger Sicht beiderseits Fehlentscheidungen getroffen haben.
Die hartnäckige Verfolgung einzelner Aspekte erscheint mir nur eine Instrumentalisierung für individuelle, politische Ziele zu sein.
Die Vereinfachung der Komplexität ist ein populistisches Mittel, welches leider zwischenzeitlich ein generelles, gesellschaftliches Phänomen geworden ist.
Durch die Art und Weise der „Aufklärung“ sind momentan große Teile der Verwaltung und des Gemeinderates überhaupt nicht mehr fähig, konstruktive und zukunftsorientierte Lösungen für das MiGy, in welcher Form auch immer, zu finden.
Wird überhaupt noch diskutiert, welche Art eines Wiederaufbaus sinnvoll ist?
Eine weitere Sanierung, ein Neubau mit oder ohne Tälesgemeinden, an welchem Standort auch immer?
Wer traut sich noch unvoreingenommen zu diskutieren und Vorschläge zu machen, wenn jedes Wort auf die Goldwaage gelegt und dann in endlosen Diskussionen und Unterstellungen zerpflückt wird?
Ist es in der derzeitigen, von Misstrauen geprägten Stimmung noch möglich, kreativ und vorbehaltlos gemeinsam nach der besten und wirtschaftlichsten Lösung zu suchen?
NEIN – weil man derzeit offensichtlich so mit „Aufklärung“ befasst ist, dass Zukunft keinen Platz mehr findet!
Welche Aufgabe haben wir Gemeinderäte in einer ganzheitlichen Aufklärung?
Mit dem Vorwurf, die Stadtverwaltung habe Fehlinformationen gegeben, entziehen sich verschiedene Stadträte offensichtlich ihrer eigenen Verantwortung.
In §24 der Gemeindeordnung, auf die sich die sogenannten „Aufklärer“ beziehen, steht: „Der Gemeinderat ist die Vertretung der Bürger und das Hauptorgan der Gemeinde (….) der Gemeinderat überwacht die Ausführung seiner Beschlüsse und sorgt beim Auftreten von Missständen in der Gemeindeverwaltung für deren Beseitigung durch den Bürgermeister“.
So weit, so richtig, denn genau dieser Paragraph trifft auf uns Gemeinderäte in dieser Situation zu. Im Juli 2014 hätte in der Gemeinderatssitzung noch die Möglichkeit bestanden die Maßnahme aufzuhalten, indem die erste Auftragsvergabe in Höhe von 8,5 Mio. € nicht stattgefunden hätte.
Damals wäre es die Aufgabe als Kontrollorgan von uns Stadträten gewesen, die Vergabe nochmals kritisch zu hinterfragen.
Schließlich waren ca. 2,5 Mio. € Auftragssumme zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht abschließend geprüft.
Die Befürchtungen der Bevölkerung und des Oberbürgermeisters Frank Dehmer, der zu dem damaligen Zeitpunkt bereits gewählt, allerdings noch gar nicht im Amt war, wurden vollkommen ignoriert.
Schließlich hat OB Dehmer uns Gemeinderäte in seiner Stellungnahme vom 13.07.2014, also zehn Tage vor der genannten Sitzung, mit eindeutigen Argumenten gewarnt.
Hierzu empfehle ich jedem die Stellungnahme von OB Dehmer zu lesen, die auf der Homepage der Stadt Geislingen eingestellt ist, einschließlich der angehängten PDF-Datei mit seinem Schreiben an die Gemeinderäte von 2014.
Im Protokoll und der damaligen GZ ist nachzulesen, dass die beiden Stadträte Sascha Binder und Ludwig Kraus flammende Redebeiträge für die mit „heißer Nadel“ gestrickten Vergaben hielten und dafür Applaus von den zahlreichen Zuhörern bekamen.
Herr Binder zeigte sich verwundert über die Einwände des künftigen Oberbürgermeisters, der sowohl am Verfahren, als auch an der energetischen Sanierung Kritik übte.
Binder appellierte eindringlich an das Gremium, die Arbeiten sofort zu vergeben.
Auch Ludwig Kraus wollte sich mit einem Stopp der Vergaben nicht abfinden und betonte, dass dies auch nichts mit einem Vertrauensverlust für den neuen Oberbürgermeister zu tun habe.
Überzeugt haben Sascha Binder und Ludwig Kraus der Auftragsvergabe in Höhe von 8,5 Mio. € zugestimmt.
Vielleicht hätte der Gemeinderat diese Sitzung dann doch besser zur Stunde des OBs – und nicht zu der des Gemeinderates gemacht!
Zur Erinnerung für Sie: Das ist das gespiegelte Zitat des ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der SPD Dr. Hansjürgen Gölz aus der damaligen Gemeinderatssitzung.
Manche Probleme hätte Geislingen dann heute womöglich nicht.
Welche Konsequenzen ziehen die damals größten Fürsprecher nun für sich?
Ich übernehme mit meiner Entscheidung nun die Verantwortung und mache meinen Sitz frei, sodass für mich in den Reihen der Freien Wähler Helmut Wörz nachrücken kann, der mit dem Thema Michelberg-Gymnasium unvorbelastet ist.
In diesem Gremium sind zum Glück mehrheitlich Stadträtinnen und Stadträte, die daran interessiert sind, den Blick nun nach vorne zu richten, um zukunftsorientierte Lösungen für das Thema „MiGy“ und weitere Themen, die unsere Stadt betreffen, zu finden.
Dafür wünsche ich den Stadträten und der Stadtverwaltung viel Erfolg bei ihrem weiteren Handeln und hoffe, dass für die Stadt Geislingen die richtigen Entscheidungen gefunden und getroffen werden.
Bei meinen Wählerinnen und Wählern möchte ich mich nochmal herzlichst für das mir entgegengebrachte Vertrauen bedanken und hoffe, dass sie meine Entscheidung zur Mandatsniederlegung unter diesen Umständen respektieren und verstehen können.
Bettina Maschke, 29. Januar 2020